Zeugen Jehovas: Alarmierende Erkenntnisse einer Zürcher Studie

Veröffentlicht am 9. September 2024 um 10:16

(c) Foto: Jonathan Wells

Zeugen Jehovas: Alarmierende Ergebnisse einer Zürcher Studie und ihre Auswirkungen

Eine aktuelle Studie der Universität Zürich hat die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas unter die Lupe genommen und dabei beunruhigende Erkenntnisse zutage gefördert. Die Untersuchung analysierte die sozialen Strukturen, psychischen Belastungen und die alltäglichen Auswirkungen des strikten Glaubens der Zeugen Jehovas auf ihre Mitglieder. Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf problematische Aspekte, die oft innerhalb religiöser Gemeinschaften verborgen bleiben, und regen zu Diskussionen über Reformen und Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene an.

Psychische Belastungen durch religiöse Strukturen

Die Studie zeigt auf, dass Mitglieder der Zeugen Jehovas unter erheblichem psychischem Druck stehen. Insbesondere strikte Glaubensvorgaben, die das gesamte Leben der Gläubigen betreffen, können zu einer hohen emotionalen Belastung führen. Eine der zentralen Glaubensregeln ist das Verbot von Bluttransfusionen, was bereits zu zahlreichen kontroversen Fällen geführt hat. In Situationen, in denen medizinische Notwendigkeiten auf religiöse Prinzipien treffen, sind die Mitglieder oft hin- und hergerissen zwischen ihrem Glauben und der Sorge um ihre Gesundheit oder die ihrer Angehörigen.

Ein weiteres alarmierendes Ergebnis der Studie ist die psychische Belastung, die durch den sozialen Druck innerhalb der Gemeinschaft entsteht. Wer sich nicht an die strikten Regeln hält, riskiert den Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft. Diese sogenannte „Exkommunikation“ hat oft schwerwiegende Folgen, da der Kontakt zu Freunden und sogar zu Familienmitgliedern vollständig abgebrochen wird. Dieser Verlust von sozialen Netzwerken führt häufig zu Vereinsamung, Depressionen und einer erhöhten Suizidgefährdung.

Soziale Isolation und Erziehung der Kinder

Ein besonders heikles Thema ist die Erziehung der Kinder innerhalb der Zeugen Jehovas. Die Studie legt dar, dass Kinder von Mitgliedern der Gemeinschaft oft abgeschottet von der restlichen Gesellschaft aufwachsen. Dies beginnt bereits in der Schule, wo sie häufig von „weltlichen“ Aktivitäten und Freundschaften ferngehalten werden. Diese Isolation kann dazu führen, dass die Kinder Schwierigkeiten haben, soziale Kompetenzen zu entwickeln und sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Der eingeschränkte Zugang zu einer offenen Bildung und die intensive religiöse Prägung haben langfristige Auswirkungen auf ihre persönliche und berufliche Entwicklung.

Die Forscher der Studie kritisieren zudem, dass Kinder dazu erzogen werden, die strengen Glaubensprinzipien unhinterfragt zu akzeptieren. Dies führt dazu, dass sie kaum Gelegenheit haben, alternative Lebensweisen kennenzulernen oder eine kritische Haltung gegenüber der Gemeinschaft zu entwickeln. Besonders problematisch ist die Überwachung und Kontrolle durch die Gemeinschaft, die jeden Aspekt des Lebens – einschließlich der Erziehung der Kinder – beeinflusst.

Geschlechterrollen und patriarchalische Strukturen

Ein weiterer bedeutender Aspekt der Zürcher Studie ist die Untersuchung der Geschlechterrollen innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas. Frauen nehmen in der Regel eine untergeordnete Rolle ein, was zu einer Unterdrückung ihrer Rechte und einer Einschränkung ihrer Selbstbestimmung führt. Diese patriarchalischen Strukturen haben zur Folge, dass Frauen oft psychisch und emotional unterdrückt werden und kaum Raum für eigene Entscheidungen und individuelle Lebenswege haben.

Die Forscher stellten fest, dass die strikte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau langfristige Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die persönliche Freiheit der betroffenen Frauen haben kann. Besonders problematisch ist, dass diese Geschlechterrollen oft als gottgewollt betrachtet werden, was jede Kritik oder Veränderung innerhalb der Gemeinschaft erschwert.

Die Rolle der Gemeinschaft und der Ausschluss von Abweichlern

Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas gilt als streng hierarchisch organisiert. Abweichungen von den vorgeschriebenen Glaubensregeln werden nicht toleriert. Wer sich nicht an die Normen hält, wird ausgeschlossen – ein Prozess, der „Disziplinierung“ genannt wird. Diese Form der Sanktionierung führt zu einem starken sozialen Druck, sich anzupassen und keine kritischen Fragen zu stellen.

Der Ausschluss aus der Gemeinschaft ist einer der dramatischsten Schritte, den ein Mitglied erleben kann. Besonders für langjährige Mitglieder, die ihr gesamtes soziales Umfeld innerhalb der Gemeinschaft aufgebaut haben, bedeutet dies nicht nur den Verlust ihres Glaubens, sondern auch die soziale Isolation. Viele Ex-Mitglieder berichten von emotionalen und psychischen Problemen, die in direktem Zusammenhang mit dem Verlust ihres sozialen Umfelds stehen.

Fazit und Ausblick

Die alarmierenden Ergebnisse der Zürcher Studie zeigen, dass die internen Strukturen und der religiöse Druck innerhalb der Zeugen Jehovas erhebliche negative Auswirkungen auf die psychische und soziale Gesundheit ihrer Mitglieder haben können. Die strikte Erziehung der Kinder, die soziale Isolation durc den Ausschluss von Mitgliedern und die restriktiven Geschlechterrollen sind nur einige der problematischen Aspekte, die in der Studie hervorgehoben wurden.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Öffentlichkeit als auch Behörden die Konsequenzen solcher religiösen Gemeinschaften ernst nehmen und Betroffene unterstützen. Obwohl die Glaubensfreiheit ein wichtiges Gut ist, sollte auch der Schutz der psychischen und physischen Gesundheit der Mitglieder sichergestellt werden. Solche Studien könnten den Grundstein für einen offeneren Dialog innerhalb der Gemeinschaft und mit der Gesellschaft legen und möglicherweise langfristig Reformen anstoßen, die das Wohl der Mitglieder in den Mittelpunkt stellen.


Quellen:

Informationen zur Studie der Universität Zürich

Die Studie der Universität Zürich zu den Zeugen Jehovas untersucht die psychologischen und sozialen Auswirkungen auf ehemalige Mitglieder dieser Gemeinschaft und liefert alarmierende Ergebnisse. Die Forscher stellten fest, dass viele ehemalige Mitglieder, die die Glaubensgemeinschaft verlassen haben, erhebliche psychische Belastungen erleben. Dies resultiert häufig aus der strengen sozialen Isolation, die in der Gemeinschaft gefördert wird. So gaben 71 % der Befragten an, fast ausschließlich Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft gepflegt zu haben, was nach dem Austritt zu einer sozialen Leere führt.

Ein zentrales Thema der Studie ist der sogenannte "verordnete Kontaktabbruch", bei dem Mitglieder aufgefordert werden, den Kontakt zu ausgestiegenen Freunden oder Familienmitgliedern komplett abzubrechen. Dies kann tiefe familiäre Risse verursachen und zu emotionalem Stress führen. Hinzu kommt, dass in der Kindheit von Zeugen Jehovas deutlich häufiger Missbrauch und Vernachlässigung erlebt werden als in der Allgemeinbevölkerung. Etwa 31 % der Ausgestiegenen berichteten, dass Missbrauch oder Misshandlung eine entscheidende Rolle für ihren Austritt spielte.

Die Studie betont auch die besonderen Herausforderungen für Frauen innerhalb der Gemeinschaft, die oft in einem patriarchalen System leben und sowohl beruflich als auch persönlich eingeschränkt sind. Dies könnte zu höheren Stresslevels und geringerer Lebensqualität bei weiblichen Aussteigern beitragen.

Diese Ergebnisse zeigen, wie stark religiöse Gruppierungen wie die Zeugen Jehovas das Leben ihrer Mitglieder beeinflussen, und betonen die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Schutz von Kindern und zur Unterstützung von Aussteigern. Die vollständige Studie ist über wissenschaftliche Publikationen zugänglich und wird von Organisationen wie JZ Help zur Verfügung gestellt​.
(JZ Help e.V.) ​(HPD) ​(ZDFmediathek).

 

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